Brücken und Architektur der Hamburger Speicherstadt

Kennen Sie die Geschichten rund um die Brücken der Speicherstadt? Nicht mal echte Hamburger kennen alle acht Brücken. Was jeder Hamburgbesucher aber kennt, sind die architektonischen Meisterstücke, die abends beleuchtet eine magische Atmosphäre besitzen und zu den meistfotografierten Sehenswürdigkeiten Hamburgs gehören. Begleiten Sie uns hier auf einer kleinen Exkursion in die faszinierende Baukunst der Speicherstadt.

Die Brücken der Speicherstadt – von Holz bis Schmiedeeisen

Der berühmte Physiker, Mathematiker und Astronom Isaac Newton soll einmal gesagt haben: „Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken.“ Hamburg ist das architektonische Gegenbeispiel: Mit 2.500 Brücken hat die Hansestadt die meisten Brücken in Europa – mehr als Amsterdam und Venedig. In unserem Artikel nehmen wir Sie mit auf eine virtuelle Reise entlang der acht faszinierenden Brücken, die die Speicherstadt mit Hamburg verbinden. Beginnen Sie Ihren Brückenspaziergang an der malerischen Niederbaumbrücke an der Kehrwiederspitze und lassen Sie sich bis zur majestätischen Oberbaumbrücke entführen. Tauchen Sie ein in die Welt der Architektur und Verbindung, die Hamburg so einzigartig macht.

Kehrwiedersteg: herzzerreißende Abschiede

Dem Namen Kehrwieder haftet eine sehr romantische Note an. Oft wird erzählt, dass sich die Hamburger und vor allem die Hamburgerinnen an dieser Stelle von den auslaufenden Seeleuten mit den Worten „Kehr wieder!” verabschiedeten, denn die Kehrwiederspitze ragte an der Hafenausfahrt in die Elbe. Diese Vorstellung verleiht dem Ort eine ganz besondere Atmosphäre. „Kehrwieder” bedeutet zwar eher Sackgasse, weil man am Ende einer solchen „kehrt”, aber die Hamburger bevorzugen verständlicherweise oft die romantische Version.

Wir spazieren über eine elegante Stahlbogenbrücke, die sich majestätisch über das Kehrwiederfleet spannt. Hier verbrachten die Schüler der Joop van den Ende Academy im Sommer gerne ihre Mittagspause, bevor die Musicalschule 2016 ihre Pforten schließen musste. Nur wenige Schritte entfernt liegen das Speicherstadtmuseum und das Spicy’s Gewürzmuseum, zwei der fünf kulturellen Schätze, die wir Ihnen auf unserer Seite „Die Museen der Speicherstadt – Hamburgs historische Schatzkammern“ näher vorstellen.

Der Kehrwiedersteg setzt seinen Weg in Richtung der Altstadt fort, wo er sich schließlich zum Zollkanal öffnet und in eine beeindruckende Schrägseilbrücke übergeht. Am äußersten Ende erwartet Besucher ein romantischer Aussichtspunkt, der liebevoll als die „Hafenbrücke für Liebende” bekannt ist. Der perfekte Spot für Selfies und pittoreske Fotos, insbesondere bei Sonnenuntergang, wenn sich die goldenen Strahlen der untergehenden Sonne auf dem Wasser des Binnenhafens spiegeln.

Ein Hinweis: Beachten Sie bei stürmischem Wetter die Warnschilder, die auf mögliche Überschwemmungen hinweisen: „Achtung! Tief liegendes Gebiet – Überflutungsgefahr!”

Brooksbrücke: stählerne Zeitzeugin und Schlussstein

Das plattdeutsche Wort „Brook” bedeutet „sumpfiges Gebiet” und bezeichnet in der Regel einen feuchten Bruchwald. Kein schmeichelhafter Name, und doch gehört die Brooksbrücke mit ihren imposanten Stahlbögen zu den altehrwürdigen Schönheiten der Speicherstadt. Sie überspannt den Zollkanal und verbindet dadurch die Speicherstadt mit der Altstadt. Könnte sie sprechen, hätte sie viele Geschichten zu erzählen, denn sie hat nicht nur den Bau und die Einweihung der Speicherstadt miterlebt.

Ursprünglich im 17. Jahrhundert aus Holz erbaut, diente die Brooksbrücke zunächst als Zollübergang über den damaligen Mühlenfleth, heute Zollkanal, bevor sie um 1870 durch eine Steinbrücke ersetzt wurde. Später, im Jahr 1885, wurde sie zu einer Stahlkonstruktion umgebaut. Im Oktober 1888 weihte Kaiser Wilhelm II. die Brooksbrücke mit den legendären Worten: „Zur Ehre Gottes, zum Besten des Reichs, zu Hamburgs Wohl!”

Die Schatten des Zweiten Weltkrieges machten schließlich auch vor der Brooksbrücke und ihren Statuen nicht halt. Brücke und Skulpturen wurden zerstört und später provisorisch repariert. Erst zwischen 2003 und 2006 erfolgte eine umfassende Restaurierung.

Auffällig sind die vier schillernden Figuren auf Sockeln, die die Passanten in ehrfürchtigem Schweigen begrüßen oder verabschieden. Am nördlichen Ende thront Hammonia, die Schutzgöttin Hamburgs, gemeinsam mit Europa, die die Verbundenheit mit den europäischen Nachbarn symbolisiert. Europa ist die Nachfolgerin von Germania, die für das Deutsche Reich stand. Am südlichen Ende der Brooksbrücke stehen Ansgar von Bremen, der „Apostel des Nordens” und ehemalige Erzbischof von Hamburg, sowie Friedrich I., besser bekannt als Barbarossa „Rotbart”, aus dem Hause der Staufer, dessen Freiheitsbrief von 1189 Hamburg das Privileg der Zollfreiheit brachte.

Kibbelstegbrücken: filigraner Fluchtweg

Die zweigeschossige Kibbelstegbrücke ist mit einer Gesamtlänge von rund 220 Metern eine der längsten Brücken Hamburgs, gehört aber mit ihrem Baujahr 2002 zu den jüngsten Brücken der Hansestadt. Als Stahlbogenbrücke verbindet die Fußgängerbrücke Speicherstadt mit der Hamburger Altstadt und im weiteren Verlauf mit der HafenCity. Sie überspannt den Zollkanal, das Brooksfleet und den Sandtorkai.

Darüber hinaus dient sie bei Sturmfluten als Fluchtweg aus der Speicherstadt und der HafenCity, der bei Hochwassergefahr gefahrlos genutzt werden kann. Obwohl sie filigran wirken, halten die Kibbelstegbrücken schweren Rettungsfahrzeugen problemlos stand.

Man spricht meist von Kibbelstegbrücken im Plural, da sie aus einer großen und zwei kleinen Bogenbrücken bestehen. Das Konzept der historischen Kibbelstegbrücken als schlanke Stahlbogenkonstruktionen wurde bei den neuen Kibbelstegbrücken aufgegriffen und so im wahrsten Sinne des Wortes eine Brücke zwischen Tradition und Moderne geschlagen. Die Kibbelstegbrücke trägt ihren Namen in Erinnerung an die Kibbeltwiete. Das war eine kleine, schmucke Gasse, die sich auf dem ehemals bewohnten Grasbrook befand, bis dieser Bereich im Zuge des Baus der Speicherstadt abgerissen wurde.

Bedeutende Persönlichkeiten der Seefahrtsgeschichte

Nicht weniger herausragend sind die Figuren, die von der Speicherstadt in Richtung Hamburger Altstadt blicken. Es sind zwei weltberühmte Seefahrer und Entdecker: Vasco da Gama und Christoph Kolumbus. Der Portugiese Vasco da Gama machte sich 1498 einen Namen, als er das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas umsegelte und Indien erreichte.

Cristoforo Colombo, so sein italienischer Name, war der kastilische Rivale Portugals im Wettlauf um den Seeweg nach Indien. Im Gegensatz zu Vasco da Gama vertat er sich jedoch in der Seeroute und landete nach weiteren Irrfahrten auf dem amerikanischen Kontinent. Die beiden weltberühmten Männer stehen seit 1903 auf der Kornhausbrücke. Ihnen gegenüber standen einst James Cook und Fernão de Magalhães, zu deutsch Ferdinand Magellan, zwei weitere Berühmtheiten der Seefahrer- und Entdeckergeschichte. Die Statuen der beiden sind jedoch verschollen. Wohin? Vielleicht finden Sie es heraus.

Wandrahmsteg: moderne Eleganz im Einklang mit Tradition

Wir befinden uns nun auf der Seite der ehemaligen Wandrahminsel und betreten den Wandrahmsteg, eine Fußgängerbrücke über den Zollkanal. Sie verdankt ihren Namen der Insel und der Großen Wandrahmbrücke, die 1962 abgerissen wurde. Mit seiner Fertigstellung im Jahr 1962 gehört der Wandrahmsteg zu den eher jüngeren Brücken, die die Speicherstadt mit dem Kontorhausviertel in der Hamburger Altstadt verbinden. Anders als beispielsweise die prachtvolle Brooksbrücke ist der Wandrahmsteg als stählerne Balkenbrücke eher schlicht gehalten.

Durch die moderne Erscheinung des Wandrahmstegs hatte man anfänglich Bedenken, ob er den Status der Speicherstadt als UNESCO-Weltkulturerbe gefährden könnte. Jedoch stellte sich heraus, dass er keinen Einfluss auf die UNESCO-Anerkennung hatte. Inzwischen wurde die Fußgängerbrücke sogar in die Denkmalliste der Stadt Hamburg aufgenommen.

Oberbaumbrücke: die Starke im Wandel der Zeit

Speicherstadt über eine riesige, stark befahrene Brücke in Richtung Hamburger Altstadt. Die Hamburger Speicherstadt kann zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit motorisierten Fahrzeugen besichtigt werden. Allerdings sind nicht alle Brücken, die in die Speicherstadt hinein und aus ihr herausführen, für Pkw, Lkw und Busse geeignet. Die Oberbaumbrücke ist es. Sie ist einer dieser mächtigen Übergänge, die täglich von vielen Fahrzeugen passiert werden.

Die 1962 fertiggestellte Stahlträgerkonstruktion verbindet nicht nur die Hamburger Speicherstadt mit der Altstadt, sondern war auch Anlaufstelle für grünen Kraftstoff: 2012 wurde hier feierlich eine Wasserstofftankstelle eröffnet, um einer Technologie den Weg zu ebnen, die den umweltfreundlichen Verkehr fördern soll. Der Treibstoff wurde vor Ort mit erneuerbarer Energie hergestellt. Doch die zukunftsweisende Technologie geriet schnell in Konflikt mit dem historischen Erscheinungsbild des UNESCO-Weltkulturerbes Speicherstadt. Ende 2022 wurde dann die Schließung vorbereitet, denn die Tankstelle wurde nur selten besucht und das Angebot, den grünen Kraftstoff zu tanken, kaum genutzt.

Die Oberbaumbrücke kümmert das nicht. Sie steht weiter da, stumm und stark und harrt der Dinge, die da kommen mögen. Denn eines ist sicher: Was auch immer die Fahrzeuge tanken werden, ohne ein starkes Bindeglied wie die Oberbaumbrücke können sie den Zollkanal nicht überqueren.

Speicherstadt Hamburg – Baukunst und Baumeister

Die Architektur der Speicherstadt ist eines der Postkartenmotive Hamburgs. Rot gebrannter Backstein und neogotische Gestaltung, alte Speicher in Reih und Glied, die heute Museen, Büros, Restaurants und Geschäfte aller Art beherbergen. Dazwischen laufen zahlreiche Brücken und Stege. Bis heute stellt die Speicherstadt den größten zusammenhängenden, einheitlich konzipierten Lagerhauskomplex der Welt dar. Die Schöpfer dieser weltbekannten historischen Industriearchitektur haben es geschafft, beständige Funktionalität und maritime Schönheit auf bemerkenswerte Weise miteinander zu vereinen.

Tradition und Innovation in Eichenholz und Technik

Die Hamburger Speicherstadt wird manchmal als „Venedig des Nordens“ bezeichnet. Grund dafür sind unter anderem die 2.500 Brücken. Wie Venedig ist auch dieser gigantische Lagerhauskomplex auf Tausenden von Holzpfählen gebaut, die bis zu zwölf Meter tief in den weichen Schlick gerammt wurden. Die Gebäude selbst wollte man zunächst auf Eisenträgern bauen, doch bald erkannte man, dass Eisen als Metall, das Wärme sehr gut leitet, im Brandfall eine immense Gefahr darstellte und den Komplex zum Einsturz bringen konnte. So wurde das schwer brennbare Eichenholz verwendet, um die Speicherstadt sicher zu errichten.

Die Backsteingebäude, die alle vom Wasser, von den Fleeten und von der Straße aus zugänglich sind, dienten früher als Lager für wertvolle Güter wie Tee, Kaffee, Gewürze und Stoffe. Schuten und Fuhrwerke konnten ihre Waren schnell anliefern und mithilfe einer hydraulischen Winde an der Giebelseite entladen. Temperatur und Licht waren für die Speicherstadt schon damals kein Problem: Die Holzböden sorgten für ein relativ konstantes Klima, die Dampfmaschinen im nahegelegenen Kesselhaus erzeugten die Energie für die Beleuchtung.

Neugotik und Hannoversche Schule

Mittelalterlich anmutende Gestaltungselemente harmonieren mit neugotischen Formen und geben den Fassaden der Speicherstadt ihr unverwechselbares Aussehen. Neogotik, Neugotik oder englisch Gothic Revival ist ein Baustil des 19. Jahrhunderts, der typisch gotische Merkmale wie Spitzbögen und ornamentale Verzierungen aufweist. Im Zusammenhang mit der Gestaltung der Speicherstadt spricht man auch vom Historismus, da sich die Architekten in neuerer Zeit an Bauelementen der Vergangenheit orientierten.

Die von Conrad Wilhelm Hase (*1818 bis ✝1902) gegründete Hannoversche Architekturschule oder Hannoversche Schule griff diesen Baustil auf und fügte ihren eigenen hinzu, sodass die Backsteinbauten mit ihren unverputzten, „ehrlichen” Ziegelfassaden entstanden.

Einer der Schüler der Hannoverschen Schule war der Oberingenieur Franz Andreas Meyer (*1837 bis ✝1901), der von der Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft (heute HHLA) zum Berater ernannt wurde. In Zusammenarbeit mit dem Wasserbaudirektor Christian Nehls (*1841 bis ✝1897), dem Baudirektor Carl Johann Christian Zimmermann (*1831 bis ✝1911) und einer Arbeitsgemeinschaft von Ingenieuren, Architekten und Bauzeichnern entstand schließlich das einheitliche architektonische Meisterwerk der Speicherstadt, das heute zu bewundern ist und zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.

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